Im Zeitalter moderner Kommunikationsmöglichkeiten ist der Liebesbrief fast aus der Mode gekommen. Dabei ist dieses Schriftstück mehr als nur ein Stück Papier. Ein Liebesbrief drückt Sehnsucht nach einem geliebten Menschen aus, dem man mit gesprochenen Worten nicht zu nahe zu kommen wagt. Er ist zugleich ein Bekenntnis, das in vorsichtiger Art schriftlich geäußert wird. Er enthält immer auch die Hoffnung, eine zustimmende Erwiderung zu erhalten.
Die ersten Liebesbriefe
Schon vor unserer Zeitrechnung gab es Liebesbriefe. Sie sind literarisch u. a. bei Ovid nachzuweisen, der vom 43 v. Chr. bis (wahrscheinlich) 17 n. Chr. lebte. Er veröffentlichte in mehreren Büchern, in den „Amores“, Liebesgedichte, die einer Corinna gewidmet waren. Sie waren amüsant und frivol, während derartige Liebesbekundungen von seinen Vorgängern schmachtend waren und verzweifelte Sehnsucht und Leiden ausdrückten.
Liebesbriefe im Mittelalter
Das späte Mittelalter, in dem vor allem Minnesänger von Liebe, Sehnsucht und Begehren in ihren Versen erzählten, überliefert Sammelhandschriften, die ihren Platz eher in der Literatur als in der authentischen Korrespondenz haben. Es handelte sich fast immer um Briefe, die in Versen geschrieben waren. Diese Minnegesänge hatten meist eine unerreichbare Person zum Inhalt, die respektvoll angebetet wurde.
Die Blütezeit handgeschriebener Liebesbriefe
Der Liebesbrief, wie wir ihn kennen, erlebte seine Blütezeit im Zeitalter der Romantik, etwa im 19. Jahrhundert, war aber auch lange vordem – im 17. Und 18. Jahrhundert – schon ein probates Mittel, sich in Liebesdingen mitzuteilen. Zettel oder kleine zusammengefaltete Briefchen wurden – meist von einem Boten – überbracht. Voraussetzung war, dass die Verfasser/Innen des Schreibens kundig waren. Liebesbriefe waren deshalb in den untersten Schichten der Bevölkerung nicht üblich.
Die Briefbeförderung mit der Post machte es dann möglich, Schriftstücke über größere Entfernungen zu transportieren. In jener Zeit war das Schreiben von Liebesbriefen auch von den Romanen inspiriert, die im Umlauf waren. Es war mit derart intimen Geständnissen immer ein gewisses Geheimnis verbunden, das unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Sie galten stets einer einzigen Person.
Bei Prominenten und Künstlern war die Neugier über deren Liebesbriefe groß und mancher Indiskretion ist es heute zu verdanken, dass die Liebesbriefe veröffentlicht wurden. Mitunter hat eine berühmte Persönlichkeit einer Publikation auch zugestimmt. Noch vor der Blütezeit im 19. Jahrhundert bemühten sich Liebende, ihre Unfähigkeit, einen Liebesbrief schreiben zu können, zu verheimlichen. Sie ließen deshalb schreiben. Damit gaukelten sie der oder dem Geliebten etwas vor, was letztendlich einem Betrug gleichkam. „Cyrano de Bergerac“ belegt diese Vorgehensweise in der Literatur.
Das 18. Jahrhundert, das als Zeitalter der Aufklärung bereits die Moderne in ihren Anfängen markierte, brachte standardisierte Liebesbriefe hervor. Sie waren in Mode. Wer etwas auf sich hielt, schrieb welche. Es war keinesfalls verwerflich, sich der Vorlagen zu bedienen, die es dafür gab. Es war üblich.
Die neue Zeit
Waren es zu Beginn des 20. Jahrhunderts tatsächlich noch Briefe, die geschrieben wurden, änderte sich die Art, Liebesbotschaften zu verschicken, noch vor dem Ende des Jahrhunderts. Im 21. Jahrhundert gehört das Briefschreiben absolut nicht mehr zu den selbstverständlichen Mitteilungs-Gepflogenheiten. Alles muss schnell gehen, alles muss gleich geschehen. Briefe wurden als unzeitgemäß abgetan.
Um sich in Liebesdingen mitzuteilen, werden SMS verschickt oder E-Mails geschrieben. Man kann sich dem anderen in Chats offenbaren oder eine der zahlreichen Vorlagen nutzen, die es im Internet gibt. Sogar Liebesbrief-Agenturen und digitale Liebesbriefgeneratoren befassen sich damit, als Ghostwriter die Gefühle anderer zu formulieren.
Der Liebesbrief, der fast dem Untergang geweiht war, erlebte eine Wiedergeburt in neuer Form. Wer selbst per SMS oder E-Mail seine Empfindungen ausdrückt, verwendet heute dabei auch eine andere Sprache. Die wohlklingenden Umschreibungen, wie sie in der Romantik üblich waren, werden dabei mitunter durch coole, alltagssprachliche Formulierungen ersetzt.
Liebesbriefe berühmter Persönlichkeiten
Bei prominenten und längst verstorbenen Personen geben Liebesbriefe, die sich im Nachlass fanden, einen Einblick in die Gefühlswelt desjenigen. Es gibt diese Briefdokumente als Veröffentlichungen. Der Liebesbrief ist Gegenstand der literarischen Forschung und gleichermaßen ein Abbild der jeweiligen Zeit in Inhalt und Form. Liebende werden sich jedoch nicht davon abhalten lassen, ihre Kreativität zu aktivieren und nach eigenem Gutdünken Botschaften zu versenden, egal in welcher Form. Das Literarische ist unwichtig. Entscheidend bleibt die Wahrheit des Augenblicks.